Jesus.ch-Print, 02.02.2019
Frieden – eine Frage der Beziehung
Lukas Amstutz
Frieden wie ihn die Bibel versteht zielt auf intakte, gerechte Beziehungen, sagt der Theologe Lukas Amstutz. Gott möchte, dass wir untereinander Frieden haben. Doch dieser Friede ist ständig bedroht. Frieden mit Gott ist die Basis, damit wir unseren Mitmenschen angstfrei und aufrichtig begegnen und Konflikte konstruktiv meistern können.
Jesus.ch Print: Weshalb fällt es uns so schwer, (in) Frieden zu leben?
Lukas Amstutz: Frieden ist ein Beziehungsbegriff. Alles, was Beziehungen schädigt, gefährdet auch den Frieden. Sobald Beziehungen gestört werden, verspüren wir Ängste und Spannungen. Werden diese zu stark, reagieren wir kopflos. Wir verhalten uns nicht mehr überlegt und differenziert, sondern impulsiv. Manche Menschen ducken sich dann ganz schnell. Andere brüllen los oder schlagen zu. Drohungen werden ausgesprochen und Schuldige gesucht. Weil dies Angst auslöst, suchen wir gerne nach schnellen Lösungen, einfachen Antworten oder berufen uns auf vermeintlich objektive Fakten. Theologisch sehe ich hinter solchen Angst-Spannungen das, was die Bibel «Sünde» nennt. Denn ob als bewusste Entscheidung oder als Verstrickung in unheilvolle Strukturen ist die Sünde immer ein Angriff auf Beziehungen.
Was sagt die Bibel zum Thema Frieden?
Ich lese die Bibel als eine grosse Friedensgeschichte. Das hebräische Wort «Schalom» meint viel mehr als die Abwesenheit von Krieg. Es kann auch mit Wohlergehen, Ganz-Sein, Glück oder Harmonie übersetzt werden. Dieser zutiefst positiv gefüllte Friedensbegriff zielt auf intakte und gerechte Beziehungen. Gott engagiert sich für diesen gerechten Frieden. Er möchte, dass sich Menschen aufrichtig in die Augen schauen können. Genauso wie er sich danach sehnt, dass zwischen ihm und der Menschheit nichts Trennendes steht. Und schliesslich ist es ihm ein Anliegen, dass alles, was in dieser Welt getrennt und auseinandergebrochen ist, wieder ganz und heil wird. Eine Schlüsselrolle nimmt darin Jesus ein. Er wünscht sich, dass wir Menschen seinem Beispiel folgen und lehrt uns im Schalom zu leben: im Frieden mit Gott, den Mitmenschen und der Schöpfung.
Weshalb ist es erstrebenswert, ein friedfertiger Mensch zu sein?
Mir gefällt an dieser Stelle das Wort «friedfertig». Ursprünglich meint das Adjektiv «fertig» nicht, dass wir mit etwas am Ende sind. Im Gegenteil. Wer «fertig» ist, begibt sich auf eine Fahrt und ist in der Lage, etwas zu tun. Ein friedfertiger Mensch ist demnach jemand, der sich Fertigkeiten für den Frieden aneignet. Jesus möchte diesen Weg mit uns gehen. Er begegnet uns Menschen mit einer unglaublichen Barmherzigkeit. Er nagelt uns nicht auf unserem Versagen fest. Gleichzeitig scheut sich Jesus nie, uns den Spiegel vorzuhalten und uns mit dem zu konfrontieren, was nicht in Ordnung ist. Aus dieser Kombination von Barmherzigkeit und Wahrheit besteht Liebe. Friedfertige Menschen üben diese Liebe ein, um mit den oben erwähnten Angst-Spannungen konstruktiv umgehen zu können.
Was sagen Sie Menschen, die «dem Frieden zuliebe» handeln?
Zunächst freue ich mich darüber, dass Menschen den Frieden lieben. Entscheidend ist aber natürlich, was wir unter Frieden verstehen. Gerade in christlichen Kreisen gibt es eine verbreitete Vorstellung, dass es keine Konflikte geben darf. Unter dem Deckel dieses Scheinfriedens werden jedoch häufig Probleme gehalten, die dann leicht unkontrolliert explodieren. Die Bibel meint: Ohne Gerechtigkeit gibt es keinen Frieden. Deshalb muss Ungerechtigkeit mit der Wahrheit konfrontiert werden. Dazu braucht es einen Konflikt. Und das stresst harmoniebedürftige Menschen natürlich. Wir können aber lernen, diesen Konflikt in guter Weise auszutragen. Gewalt ist keine Lösung. Verheissungsvoller ist, Konflikte offen ansprechen, einander zuhören und trotz abweichender Standpunkte einander emotional verbunden bleiben.
Wie können wir mit uns selbst Frieden schliessen?
Auch hier gilt, was ich bereits gesagt habe: Frieden besteht aus einer Mischung von Barmherzigkeit und Wahrheit. Wir müssen daher lernen, auch mit uns selbst barmherzig zu sein. Wir sind nicht für alles und alle verantwortlich. Unsere Schwächen und Grenzen dürfen wir anerkennen. Wir dürfen uns aber auch nicht der Wahrheit verschliessen. Wenn wir stets alles entschuldigen und grosszügig darüber hinwegsehen, stagnieren wir in unserer Entwicklung hin zu einer reifen Persönlichkeit. Es geht darum, dass wir uns auf unser Denken, Fühlen und Handeln konzentrieren, anstatt stets darauf zu schielen, wie Andere sein und was sie tun sollten. So schliessen wir nicht nur Frieden mit uns selbst, sondern sind damit auch in der Lage, unseren Anteil an gesunden Beziehungen zu leisten.
Lukas Amstutz ist SRF-2-Radioprediger und Leiter des Bildungszentrums Bienenberg, Liestal. Info und Kontakt: bienenberg.ch
Dieser Artikel stammt aus dem Jesus.ch-Print Nr. 49 zum Thema «Frieden». Demnächst können Sie hier die neue Ausgabe bestellen oder herunterladen und selbst in Ihrem Umfeld verteilen.
Autor: Manuela Herzog
Quelle: Jesus.ch-Print Nr. 49 https://www.jesus.ch/magazin/beziehung/340529-frieden_eine_frage_der_beziehung.html