Der Geist Gottes: Göttliche Sprengkraft

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Der Geist Gottes: Göttliche Sprengkraft

15.05.2016

Pfingsten
Der Heilige Geist schlägt ein wie eine Bombe. Er kommt mit Feuer und Wind und reisst die Apostel aus den Sitzen. Theologe Stefan Schweyer über die Sprengkraft des Heiligen Geistes.

Der Heilige Geist schlägt ein wie eine Bombe. Er kommt mit Feuer und Wind (Apostelgeschichte, Kaptiel 2, Vers 1–3). Er reisst die Apostel aus den Sitzen, treibt sie aus dem Wohnzimmer auf den Marktplatz, erfüllt ihr Herz und öffnet ihren Mund. Eben noch haben sie sich ängstlich versteckt, jetzt predigen sie öffentlich, dass Jesus von den Toten auferstanden ist, dass er der Messias ist, der Christus, der Herr. Von Furcht keine Spur. Menschen werden bewegt und kommen zum Glauben. Wie ein Lauffeuer breitet sich die christliche Gemeinde aus – bis heute. So ist der Heilige Geist – die Kraft Gottes, griechisch: dynamis. Das ist es, was Jesus seinen Nachfolgern versprochen hat: «Ihr werdet die Kraft – dynamis – des Heiligen Geistes empfangen» (Apostelgeschichte Kapitel, 1, Vers 8).

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Stefan Schweyer

 

Weckt das in uns die Sehnsucht nach Geisteskraft? Oder sind wir schon so abgestumpft, sind unsere Ohren so taub und unsere Herzen so träge, dass wir lieber im bequemen Lehnstuhl sitzen bleiben? Ist die Angst vor unkontrollierten Explosionen zu gross? Wenn ich an die verhärteten Herzen denke und an die verlogenen Beziehungen, an verstaubte Gemeinden und verknöcherte Traditionen, an verletzte Menschen und eine verlorene Welt – würde uns nicht eine Stange pfingstliches Dynamit guttun? Was Besseres könnte ich mir wünschen als etwas Sprengkraft des Heiligen Geistes?

Die erste Sprengung: Die Fesseln des Todes

Der Heilige Geist schafft Leben aus dem Tod: «Wir glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht» (Glaubensbekenntnis von Nicäa/Konstantinopel, 381 n. Christus). Was der tote Buchstabe (2. Korinther, Kapitel 3, Vers 6) und der natürliche Mensch (Johannes, Kapitel 6, Vers 63) nicht vermögen, das kann der Heilige Geist: Er sprengt die Fesseln des Todes und bringt Leben hervor (Ezechiel, Kapitel 37, Vers 5–6). Durch den Heiligen Geist ist die Kraft der Auferstehung bei uns gegenwärtig: «Wenn aber der Geist dessen in euch wohnt, der Jesus von den Toten auferweckt hat, dann wird er auch euren sterblichen Leib lebendig machen durch seinen Geist, der in euch wohnt.» (Römer, Kapitel 8, Vers 11).

Die zweite Sprengung: Der Panzer meines Herzens

Der Heilige Geist schafft Glauben. Er durchbricht den Panzer, der sich schichtweise um mein Herz gelagert hat: Die Gleichgültigkeit gegenüber Gott, die Rebellion gegen ihn, die Selbstbezogenheit und die Hartherzigkeit. So stark ist dieses Bollwerk der Sünde geworden, dass kein Mensch es aus eigener Kraft überwinden kann. Wenn aber der Heilige Geist wirkt, trifft mich der Ruf zur Umkehr im Herzen (Apostelgeschichte, Kapitel 2, Vers 37), überführt er mich von Schuld und Sünde (Johannes, Kapitel 16, Vers 8–9), zieht er mich zu Gott hin und weckt in mir den Glauben. «Ich glaube an den Heiligen Geist» – das hat Martin Luther im Kleinen Katechismus so erklärt: «Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann; sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten.»

Die dritte Sprengung: Die Barrieren zum Nächsten

Der Heilige Geist schafft Liebe. Er überwindet die Barrieren, die zwischen uns aufgerichtet sind. Beim Turmbau von Babel konnten durch die Verwirrung der Sprachen die Menschen einander nicht mehr verstehen und wurden in unterschiedliche Sprachgruppen aufgeteilt (1. Mose, Kapitel 11, Vers 7–9). An Pfingsten wird die Sprachverwirrung überwunden. Menschen aus allen Sprachen und Nationen hören und verstehen, was die Jesusnachfolger berichten (Apostelgeschichte, Kapitel 2, Vers 4–11). Die Kommunikation wird durch die Kraft des Heiligen Geistes erneuert. So führt uns der Heilige Geist zusammen: «Denn in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden, es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt worden.» (1. Korinther, Kapitel 12, Vers 13). Erfüllt mit göttlicher Liebe (Römer, Kapitel 5, Vers 5) sind wir miteinander verbunden, können einander verstehen und lieben.

Die vierte Sprengung: Die Blockaden meines Denkens, Fühlens, Wollens und Tuns

Der Heilige Geist schafft Erneuerung des ganzen Menschen. Er erleuchtet meinen verfinsterten Verstand, stärkt mich, dass mein Herz trotz widriger Umstände von Freude erfüllt wird (Apostelgeschichte, Kapitel 13, Vers 52). Der Heilige Geist reisst mich aus der Bequemlichkeit und hilft mir, Gottes Willen zu tun: «Meinen Geist werde ich in euer Inneres legen und ich werde bewirken, dass ihr nach meinen Satzungen lebt und meine Rechtssätze haltet und nach ihnen handelt» (Hesekiel, Kapitel 36, Vers 27).

Die fünfte Sprengung: Die Grenzen meiner kleinen Welt

Der Heilige Geist schafft Mission. Durch sein Kommen sind die Jesusgläubigen nicht mehr geografisch gebunden. Sie müssen nicht an einem bestimmten Ort beten und müssen nicht mit Jesus von Stadt zu Stadt ziehen. Durch den Heiligen Geist wird die Jesusbewegung universal, orts- und kulturübergreifend. Die Grenzen meiner kleinen Welt und der lokalen Gemeinde werden aufgesprengt. Der Heilige Geist sendet uns bis zu den Enden der Erde, um die frohe Botschaft der Auferstehung von Jesus Christus allen zu bezeugen (Apostelgeschichte Kapitel 1, Vers 8). Eine vom Heiligen Geist dynamisierte Gemeinde kann sich nicht um sich selber drehen. Sie wird in Bewegung gesetzt, sodass das Evangelium «nicht allein im Wort, sondern auch in der Kraft, im Heiligen Geist und mit grosser Wirkung» verkündigt wird (1. Thessalonicher, Kapitel 1, Vers 5).

Feuer an die Lunte legen 1: Das Wort

Es gibt keine Methode, um pfingstliches Dynamit zur Explosion zu bringen. Wir haben den Heiligen Geist nicht im Griff. Aber eines können wir: Gott beim Wort nehmen. Die Verheissungen der Schrift sind geistgewirkt (Apostelgeschichte, Kapitel 1, Vers 16; 2. Petrus, Kapitel 1, Vers 21). Wo das Wort Gottes gepredigt und gehört wird, da wirkt der Geist (Apostelgeschichte, Kapitel 10, Vers 44). Die Worte von Jesus Christus sind «Geist und Leben» (Johannes, Kapitel 6, Vers 63). Das «Schwert des Geistes – das ist Gottes Wort» (Epheser, Kapitel 6, Vers 17). Der Geist kommt durch das Wort – und das Wort lebt durch den Geist.

Man kann sich also nicht die Kraft des Geistes wünschen und gleichzeitig in Distanz zur Bibel leben. Der umgekehrte Weg ist richtig: Das Hören auf die Worte der Heiligen Schrift ist der vorzügliche Weg, um Feuer an die Lunte zu legen. Hier entfaltet sich geistgewirkte göttliche Kraft.

Feuer an die Lunte legen 2: Das Gebet

Jesus hat seine Jünger gelehrt, dass der Vater im Himmel den Heiligen Geist denen gibt, die ihn bitten (Lukas, Kapitel 11, Vers 13). Wenn wir um den Geist bitten, sagen wir damit: Unsere Kraft ist zu schwach, unser Mut zu klein – wir sind von Gott abhängig und auf seine Kraft angewiesen. Mit dieser Bitte signalisieren wir auch Offenheit. Es lässt sich nicht vorhersehen, was genau geschieht, wenn der Heilige Geist sein Feuer entzündet. Wir werden überrascht. Vielleicht wird mehr aufgesprengt als wir erwarten – umso besser!

Ein kurzer Gesang der alten Kirche formuliert die Bitte so: «Komm, Heiliger Geist, erfülle die Herzen deiner Gläubigen und entzünde in ihnen das Feuer deiner Liebe.» Lasst uns so beten – mit dem «gefährlichen Risiko», dass die Lunte wirklich zu brennen beginnt und pfingstliches Dynamit explodiert. «Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und allem Frieden im Glauben, damit ihr überreich seiet in der Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes!» (Römer, Kapitel 15, Vers 13)

Stefan Schweyer (46), Dr. theol., ist Dozent für Praktische Theologie an der STH Basel. Zurzeit arbeitet er an einem Habilitationsprojekt über freikirchliche Gottesdienste am Liturgiewissenschaftlichen Institut der Universität Fribourg.

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