Er dachte, er sei der einzige Christ im Land

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Er dachte, er sei der einzige Christ im Land

10.03.2017

Vom Imam zum Pastor
In Marokko sind Christen oft gezwungen, im Untergrund zu leben und niemandem von ihrem Glauben zu erzählen. Auch Mustafa* hielt sich lange versteckt. Bis er Kontakt zu Christen fand und eine
Hausgemeinde gründete. Jetzt lebt er seinen Glauben öffentlich.

Als Mustafa* geboren wird, ist sein Weg bereits vorgezeichnet: Da seine Vorfahren alle Imame waren, soll Mustafa natürlich auch einer werden. Seine Familie ist in der Stadt bekannt und respektiert. Sein Vater nimmt ihn bereits im Alter von fünf Jahren mit in die Moschee, damit er dort den Koran studieren kann. «Als ich sieben Jahre alt war, erklärte uns der Imam die Geschichte von den Propheten», erinnert sich der heute 46-Jährige. «Als er zu Jesus kam, hörte ich aufmerksam zu und fragte anschliessend: ‘Können wir also sagen, dass Jesus Gottes Sohn ist?’ Der Imam antwortete: ‘Nein, das sagen wir nicht. Das sind die Worte der Christen und ich will sie von dir nicht noch einmal hören!’»

Widersprüche bringen Zweifel

Nach der Grundschule nimmt sein Vater ihn aus der Schule und schickt ihn in ein angesehenes islamisches Zentrum, an dem bereits bekannte muslimische Persönlichkeiten studiert haben. Hier wird Mustafa von einer islamischen Gruppe kontaktiert und beginnt, sich in der Gruppe zu engagieren. «Ich war sehr aktiv und als sie mein Potential erkannten, brachten sie mich in eine Leiterschule. Nach sechs Monaten machten sie mich für die gesamte Südzone Marokkos verantwortlich.»

Jetzt hat Mustafa die Chance, den Islam bis auf die tiefsten Gründe zu erforschen – und er entdeckt Details, die ihm nicht gefallen. «Ich war auf der Suche nach Gott und machte alles, was der Islam fordert – fünfmal pro Tag beten, im Ramadan fasten, und so weiter –, aber ich hatte nicht das Gefühl, dass Gott mein Herz erfüllt. Ich brauchte etwas anderes. Je mehr ich studierte, desto mehr Widersprüche entdeckte ich, sogar Lügen, und so enschloss ich mich dazu, auch in anderen Religionen, auch im Christentum, zu suchen.»

Ein Gebet – ohne Islam und Christentum

Viele seiner Fragen und Zweifel bringt Mustafa zu einem Lehrer. Dieser stellt fest, dass Mustafa viel über Jesus redet und gibt ihm die Adresse einer Schule in Spanien. Hier könne man seine Fragen besser beantworten. «Er dachte wohl, dass ich ihnen Negatives über das Christentum schreiben würde», erklärt Mustafa. «Also kontaktierte ich die Schule und bekam Bücher und Bibel-Lektionen zugeschickt.» Je mehr er liest, desto klarer sieht er, dass der Islam falsch liegt. «Ich wusste, dass der Islam nicht die Wahrheit war, aber ich wusste einfach nicht, was ich tun sollte. Es ist schwer, aus dem Islam auszutreten. Also entschloss ich mich, direkt zu Gott zu beten, ohne Islam, ohne Christentum. Ich sagte einfach: ‘Gott, du hast mich erschaffen. Sag mir, wo ich weitergehen soll.’» Doch nichts geschieht.

«Eines Tages kam mir die Idee: Bete im Namen Jesu! Das machte ich, und mit einem Mal wurde mein Herz von einer Frische gefüllt. In diesem Moment entschied ich mich, Christ zu werden und mein Leben wurde ganz erfüllt.» Nach sechs Jahren der Suche war Mustafa endlich angekommen.

Nicht der einzige

Doch was sollte er jetzt tun, wo er Christ war? Als er seiner Familie davon erzählte, schlossen sie ihn kurzum aus der Familie aus. Nun war Mustafa ganz allein – er dachte, er sei der einzige Christ im ganzen Land. Erst ein Jahr später, nachdem er den Christen der Schule in Spanien geschrieben hatte, erhielt er eine Einladung zu einer Weihnachtsfeier in einer nahegelegenen Stadt. Kurzentschlossen fuhr er hin – und traf dort 30 weitere marokkanische Christen.

Einige Jahre später, im Jahr 2000, zieht er in eine andere Stadt, um dort einen Kurs zu besuchen. Hier besucht er eine Hausgemeinde. Die Idee gefällt ihm und als er drei Jahre später in seine Heimatstadt zurückkehrt, hat er die Idee, selbst eine solche Gemeinde zu gründen. Befreundete Christen sind schockiert. «Sie sagten mir, ich sei verrückt. ‘Du willst im Herzen des Islam eine Kirche gründen?’ Ich begann zunächst mit Treffen bei mir zu Hause. Als die Gruppe wuchs, gingen wir samstags auf einen Berg und kamen am Sonntag zurück. Wir waren 18 Leute.»

Als Christ eine Bibel sein

Doch nach zwei Jahren wächst die Gruppe nicht weiter. Sie überlegen, woran es liegen kann – und merken, dass sie sich nicht einschliessen dürfen. «Wir beschlossen, rauszugehen, statt uns einzuschliessen. Wir können keine Bibeln verteilen, aber wir können selbst eine Bibel sein und Gottes Liebe widerspiegeln. Wir begannen, Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen, ihnen zu helfen und so begannen die Leute nach und nach, uns zu mögen.»

Einfach ist es nicht. Diverse islamische Gruppen versuchen, sie zu stoppen und bedrohen sie und ihre Familie. Doch «inmitten von dem Allen haben wir immer den Schutz Gottes erleben dürfen».

Glauben öffentlich leben

Im vergangenen Jahr geht Mustafa zusammen mit sieben weiteren christlichen Leitern einen Schritt weiter: Sie entscheiden sich, ihren Glauben öffentlich zu machen. Auslöser dafür sind christenfreundliche Kommentare verschiedener Politiker und nicht zuletzt von König Mohamed VI. «Marokko verändert sich, es gibt grosse Fortschritte im Zusammenhang mit den Menschenrechten. König Mohamed VI sagte kürzlich, dass er König aller Marokkaner sei: Christen, Juden und Muslimen.» Diese Worte ermutigen sie – und so haben sie sich durch Medien, insbesondere durch einen Internet-Fernsehkanal und einen YouTube-Kanal als Christen geoutet und ermutigen andere marokkanische Christen, es ebenso zu tun. Denn, so Mustafa, man muss keine Angst davor haben; es passiert nichts! Mustafa sieht darin vielmehr positive Aspekte, insbesondere für die Christen, die – so wie er vor 20 Jahren – denken, dass sie die einzigen Christen im Land sind.

«Man sagt, dass es hier 150’000 Christen gibt, aber wir sagen, dass es auch bis zu einer Million sein könnten. Es gibt keine Ecke im Land, in der es nicht mindestens einen Christen gibt. Teilweise gibt es mehrere Christen in einer Familie, die das gegenseitig voneinander nicht wissen. An dem Tag, an dem sich die Gesetze ändern und uns Religionsfreiheit garantiert wird, werden alle ans Licht kommen und man wird merken, dass wir ganz viele sind!»

*Nachname aus Respekt gegenüber der Familie nicht veröffentlicht

Autor: Rebekka Schmidt
Quelle: Livenet http://www.livenet.ch/themen/glaube/theologie_philosophie_religion/islam/306134-er_dachte_er_sei_der_einzige_christ_im_land.html

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